20:00 Uhr
Draußen vor der Tür
Wer will heute noch etwas von Beckmann wissen? Den Kriegsheimkehrer aus dem Zweiten Weltkrieg quält seine persönliche Schuld – der Unteroffizier hat auf einem Streifengang elf der ihm anvertrauten 20 Soldaten verloren. Ein leichenblass geschminkter Elias Reichert spielt ihn mit einer Verzweiflung, die Mitgefühl weckt. Die Verantwortung dafür will er nun zurückgeben. Doch niemand will ihm zuhören. So plant er den Selbstmord in der Elbe. Doch die will ihn nicht, schickt ihn zurück. In einer Talkshow soll er auftreten.
Drei wirkmächtige Frauen verkörpern die Elbe: Laura Friedmann, Margot Gödrös und Sabine Orleans. In bunte Wallekleider gehüllt, übernehmen sie nicht nur Teile von Beckmanns Rolle, sondern vor allem die anderen Personen, denen Beckmann in der folgenden „Talkshow“ begegnet.
Dass die Kriegsfolgen, unter denen sie leiden, Folge der menschenverachtenden NS-Machtpolitik sind und damit auch ihres Mitläufertums – das ist für sie kein Thema. Und war es auch für Borchert nicht – schon gar nicht der Holocaust. Eine große Plastikplane unter der Decke senkt sich allmählich auf die vier Akteure ein, hüllt sie in eine Blase der Erinnerung, aus der kein Entkommen ist. In dieser Blase thront auch der Oberst. Er hatte Beckmann den Befehl für die verhängnisvolle Aufklärungspatrouille gegeben – verantwortlich fühlt er sich nicht.
Sabine Orleans in dieser Rolle ist einer der Höhepunkte dieser Inszenierung. Genüsslich schält sie einen Apfel, während sie selbstherrlich Beckmann abkanzelt. Er solle gefälligst vergessen, nicht „unmännlich“ sein, schließlich sei er Soldat gewesen. Vor allem: „Dieser Krieg ist doch nur ein Vogelschiss in unserer eintausendjährigen deutschen Geschichte“, legt ihm Sprenger einen Satz des AfD-Vorsitzenden Gauland in den Mund.
„Warum hört ihr mich denn nicht?“ ruft ein verzweifelter resignierender Beckmann am Schluss – vielleicht nach seinem doch erfolgreichen Selbstmord von Beginn. Das Kölner Publikum sollte ihn – dank Sprenger – gehört haben.
Köln 50667