19:00 Uhr
Georgischer Abend
Tornike Metreweli
Der nationale Geist in Versen - Taras Schewtchenko und Ilja Tchawtchawadse
simultane Flüsterübersetzung von Heike Buerschaper und Almute Löber
In Zusammenarbeit mit der georgischen Hochschulgruppe "Aisi" der Uni Köln
Moderation und Gespräch mit dem Publikum:
Nino Burdiladse, Vorsitzende von „Asisi“
Übersetzung aus dem Georgischen: Nino Högner-Loladze
Der georgische Soziologe Tornike Metreveli vergleicht die Rollen, welche die beiden Dichter und antikolonialen (antizaristischen) Intellektuellen - der Georgier Ilja Tschawtchawadse (1837-1907) und der Ukrainer Taras Schewtchenko (1814-1861) - innerhalb ihrer nationalen Traditionen in Georgien und in der Ukraine gespielt haben. In der Zeit ihres Wirkens befanden sich beide Länder unter der Kolonialherrschaft des zaristischen Russlands.
Aus eigener leidvoller Erfahrung riefen sie ihre Landsleute zum „Aufwachen“ und zum „Aufstand“ gegen das Imperium und dessen Repressionen auf, kritisierten die soziale Apathie der Gesellschaft und schärften das Bewusstsein für die jeweilige historische Vergangenheit ihrer Nation. Die Nichtakzeptanz der Gegenwart und der Glaube an die souveräne Zukunft ihrer Länder waren dominierende Themen ihrer Dichtung und Prosa.
Wie wichtig Tschawtchawadse und Schewtchenko für ihre Länder heute sind, zeigte sich in den politischen Diskursen nach der Rosenrevolution in Georgien (2003) und nach der Orangen Revolution in der Ukraine (2004), als ihre Verse jeweils zu revolutionären Parolen wurden.
Im Westen jedoch gibt es bis heute erstaunlich wenig wissenschaftliche Abhandlungen über das Werk und die Aktivitäten beider Schriftsteller und ihren Einfluss auf die nationale Mobilisation in der Ukraine und in Georgien, obgleich beide Länder oft in den Kommentaren zur gegenwärtigen Kultur und Politik in gleichem Atemzug erwähnt werden. Im Vortrag wird versucht, diese Lücke zu schließen und die Beziehung zwischen Literatur und sozialer Mobilisation im Zarenreich des 19.Jh. zu verstehen.
Zur Theorie über die Rolle von Dichtern in der antikolonialen und nationalen Bewegung bezieht sich Tornike Metreweli auf die Schriften von Benedict Anderson, John Hutchinson sowie Rory Finnin und problematisiert Miroslav Hrochs Drei-Phasen-Modell der Entwicklung nationaler Bewegungen.
Des Weiteren wird auf die Bedeutung von „cultural nationalists“ (John Hutchinson) hingewiesen, um ein Verständnis für die gegenwärtigen nationalen Diskurse in der georgischen und ukrainischen Gesellschaft zu ermöglichen. Obwohl in unterschiedlichen Perioden der Geschichte des russischen Kaiserreiches tätig, riefen sie ihre Landsleute zu einer ähnlich modernen Form des politischen Engagements auf und unterstützten sie in ihrer antikolonialen Mobilisierung, wenn auch mit unterschiedlichen politischen Ergebnissen.
Tornike Metreveli arbeitet z.Z. an der Universität Bern als Doktorand im Fach Soziologie unter der Leitung von Prof. Christian Joppke. Vorher hatte er einen Forschungsauftrag an der London School of Economics (LSE), in dessen Rahmen er walisische und schottische nationale Bewegungen nach der Dezentralisierung untersuchte. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am House of Commons (UK) ging er den Fragen der steuerlichen Dezentralisierung und Steuerumverteilungspolitik in Wales nach. Seinen Master mit Auszeichnung erwarb er auf dem Gebiet der Nationalismus-Forschung an der Universität von Edinburgh.
UKB: 5,- € / 2,5 € LKF-Mitglieder, Schüler, Studenten und ALG-II-Empfänger
50667 Köln