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Wie Kolonial ist die Willkommenskultur?
In den letzten Monaten war in Deutschland viel von Willkommenskultur die Rede. Doch was kommt nach dem freundlichen Empfang? Was verbirgt sich hinter der neu entdeckten Solidarität, so herzlich ? und möglicherweise selbstgefällig ? sie auch sein mag? Gibt es jenseits des europäischen Gewissens einen Adressaten dieser viel gepriesenen Wohltätigkeit? Wie lassen sich zum Beispiel die neu entstehenden Machtverhältnisse zwischen Migranten auf der einen Seite und deutschen Behörden und eventuellen Arbeitgebern auf der anderen beschreiben? Von der Linken hört man oft, dass es sich dabei um neokoloniale Verhältnisse handele und dass das Propagieren der kulturellen Werte der deutschen, genauer gesagt eurozentrischen Leitkultur missionarischen Charakter habe. Welche Konsequenzen hat es, wenn man Integrationskurse als hegemoniale, geopolitische Praxis betrachtet, wie KIEN NGHI HA 2007 zu bedenken gab? In einem gemeinsamen Gespräch mit dem Akademiemitglied MARK TERKESSIDIS und dem Journalisten und Aktivisten MILTIADIS OULIOS blickt er auf die „Integrationsdebatten“ Mitte der Nullerjahre zurück und stellt die Frage, was sich unter den gegenwärtigen Umständen verändert hat.
KIEN NGHI HA ist Fellow am Institut für postkoloniale und transkulturelle Studien der Universität Bremen und freier Kurator. An der New York University sowie den Universitäten Heidelberg und Tübingen hatte er verschiedene Forschungsstellen inne. Darüber hinaus war er im Haus der Kulturen der Welt, dem Hebbel am Ufer und der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin kuratorisch tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind postkoloniale Kritik, Migration und die asiatische Diaspora. Seine jüngste Monografie Unrein und vermischt (transcript, 2010) wurde mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2011 ausgezeichnet.
MILTIADIS OULIOS arbeitet als Journalist, Moderator und Vortragsredner in Köln und Düsseldorf. Er befasst sich mit Themen der Einwanderungsgesellschaft und des Ringens um Anerkennung und Rechte. Er ist als Autor für den WDR-Hörfunk und für Tageszeitungen tätig und moderiert das deutsch-griechische Magazin Radiopolis im Funkhaus Europa. Außerdem engagierte er sich im Rahmen des antirassistischen Netzwerks Kanak Attak. Seit 2007 untersucht er die Repräsentanz migrantischer Journalisten in deutschen Medien. Er ist Mitglied des Netzwerks Neue Deutsche Medienmacher. Sein Buch Blackbox Abschiebung ist 2015 bei Suhrkamp erschienen.
MARK TERKESSIDIS arbeitet als Publizist mit den Schwerpunkten Popkultur und Migration. Der promovierte Pädagoge ist zurzeit Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen. Von 1992 bis 1994 war er Redakteur der Zeitschrift spex. 2001 gründete er mit Tom Holert das Institute for Studies in Visual Culture. Seine beiden jüngsten Monografien Interkultur (2010) und Kollaboration (2015) sind bei Suhrkamp erschienen. Darüber hinaus hat er unter anderem für die taz, den Tagesspiegel, Die Zeit, die Jungle World und Literaturen sowie für den Westdeutschen Rundfunk und Deutschlandfunk gearbeitet. Terkessidis ist Gründungsmitglied der Akademie der Künste der Welt. Er lebt und arbeitet in Berlin und Köln.
50672 Köln