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30 Jahre Zartbitter – eine (fach-)politische Gratwanderung
Bisher hat Zartbitter in der Öffentlichkeit kaum über die existentiellen Belastungen gesprochen, die Vorstand und Mitarbeiter*innen der Kölner Einrichtung insbesondere in den 90er Jahren meistern mussten. Seinerzeit wurde Zartbitter durch die Bewegung „Missbrauch mit dem Missbrauch" öffentlich diffamiert. Zartbitter deckte die Unterstützung dieser Bewegung durch täterfreundliche Wissenschaftler und Täternetzwerke auf. Die Kontakt- und Informationsstelle engagierte sich im besonderen Maße für Opfer ritualisierter sexueller Gewalt im Rahmen von Pornoproduktionen und Kulten. Die Mitarbeiter*innen waren massiver Bedrohungen ausgesetzt.
Nach dem „Missbrauchsskandal" im Jahr 2010 ging die Öffentlichkeit davon aus, dass die Arbeit von Zartbitter nun endlich ausreichend abgesichert würde. Dies ist leider nicht der Fall. In den 90er Jahren übernahm das Land NRW nur eine begrenzte Finanzierung der landesweit tätigen Kontakt- und Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch. Da Zartbitter die sexuelle Ausbeutung von Jungen öffentlich machte, nutzte die Pädosexuellenlobby ihren Einfluss, um eine finanzielle Absicherung von Zartbitter zu verhindern. Im Jahre 2000 wurde unter der CDU-Landesregierung die ohnehin begrenzte Finanzierung der Beratungsarbeit gekürzt. Rot-Grün nahm diese Kürzung nicht zurück, so dass Zartbitter im Jahre 2017 den gleichen Landeszuschuss für die Beratung kindlicher und jugendlicher Opfer und ihrer Familien erhielt wie im Jahr 2000. Einen Ausgleich für gestiegene Personal- und Sachkosten gab es nicht. Andere Bundesländer haben nach 2010 die finanzielle Förderung der Arbeit gegen sexuellen Missbrauch erhöht. Die Glaubwürdigkeit der neuen Landesregierung wird daran zu messen sein, inwieweit sie auch Hilfen für Jungen und Männer, die Opfer sexueller Gewalt wurden, absichert. Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW, hat in einem Grußwort anlässlich der Fachtagung zugesichert, an der Seite von Zartbitter zu stehen.
Im Rahmen der Fachtagung wird Zartbitter über die existentiellen Anfeindungen ebenso informieren wie aktuelle fachpolitische Fragestellungen zum Thema machen – zum Beispiel sexuelle Peergewalt durch Jugendliche und sexuelle Übergriffe durch Kinder.
50676 Köln