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Sebastian Krämer - „LIEDER WIDER BESSERES WISSEN“ - Köln-Comedy-Festival 2016
Konfrontierten uns - ganz im Geiste der Aufklärung - die „Tüpfelhyänen“ noch mit den Möglichkeiten menschlichen Denkens und Handelns, führen diese „Lieder wider besseres Wissen“ unter Einsatz allerhand harmonischer Finessen geradewegs in die nebelumwobenen Abgründe einer romantischen Weltsicht. Diese finden wir freilich angewendet auf äußerst exotische Dinge, neue Herausforderungen an das Genre des Novelty Songs wie etwa einen Hund im Güllebad, ein höllisches Fahrgeschäft mit Spätfolgen, den Niedergang der DVD und ihm vorauseilende nostalgische Gefühle, Alpo, den Waldgeist und - eine verträumte Armbanduhr.
Wo Comedians ihre besten Freunde für einen Gag verkaufen, gibt dieser Chansonnier jeden Funken analytischen Durchblicks gerne hin für einen tragischen Akkord. Sich die Zustimmung seiner Zuhörer durch die Artikulation bedenkenlos teilbarer Richtigkeiten zu sichern, ist Krämers Sache nicht. Als wäre Qualität eine Frage der Inhalte!
Unter lauter Ratgebern und Optimierern in einer Zeit, die für jedes Problem eine objektiv geprüfte, von Experten ermittelte Maßnahme unter den ersten sieben Suchergebnissen führt, wendet Krämer alles wieder ins Unabwendbare und erhebt Verfehlung, lamoyant verklärt, zum Selbstzweck. Wahrscheinlich ist er der Meinung, sich das leisten zu können.
Spätestens seit er den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Chanson (2009) und den Deutschen Kabarettpreis (2011) in der Tasche hat, sieht er von der Beschäftigung mit aktuellen Reizthemen konsequent ab. Schließlich glaubt er, daß Wahrheit im Lied nur als matt Durchscheinende, nicht als Vorgeführte, zu gewinnen sei. Womöglich - aber dies nur unter uns - kennt er sie gar nicht. Fundiertes Wissen? Pustekuchen. Das unterscheidet Krämer von einem Kabarettisten ...
Sebastian Krämer ist Dichter, weil es für ihn keine andere von der Gesellschaft geduldete Daseinsform gibt, zumindest nicht außerhalb der Staatsgefängnisse und Landeskrankenhäuser. In der Radikalität seiner Abwendung vom allgemeinen Diskurs liegt die Erklärung dafür, dass er seine Kunstform in einer selten gesehenen Perfektion ausübt. Würde er ankerkennen, dass auch er ein Unbewusstes hat, hätte er Konflikte. So aber schreibt er ellenlange Gedichte, die von einem Bombenattentat handeln, um dann zu behaupten, es ginge weder um die Bombe noch um ein Attentat, sondern um die konsequente Anwendung der Staphylokokken oder wie dieses Versmaß heißt. Je mehr er auf der Bühne die konkrete politische Aussage meidet, umso aufsässiger ringt er nachts am Küchentisch um politische Fragen, die von mir schon lange beantwortet worden sind.
Lisa Politt
Krämer hat die Zuverlässigkeit der Post zuzüglich eines Sendungsbewußtseins.
Marco Tschirpke
Es gibt keine lustige Musik.
Franz Schubert
Füllhöhenschwankungen sind transportbedingt.
Kellogg's Cornflakes
50678 Köln